Das Pförtnerhaus muss schließen
Zwischen Abschied und Aufbruchstimmung
Am 30. März flatterte mir ein Brief vom Eigentümer auf den Schreibtisch. Nach dem Lesen stand ich erstmal unter Schock. Die Kündigung. Zum 30. Juni muss ich ausziehen. Als Begründung stand „wegen Abrissarbeiten“. Damit habe ich nie gerechnet.
„Was?! Nein!! Ich will hier nicht raus! Das ist MEIN Studio!“ Das war die erste Reaktion. Und dann brauchte ich ungefähr 24 Stunden, um die Neuigkeit durchsickern zu lassen. Zu begreifen, dass das Realität ist. Nach dem Schock kam die Trauer. Ich habe tatsächlich geheult. Immer wieder in den ersten 24 Stunden.
Der ein oder andere wird nun sagen: „Ach, dann suchst Du Dir eben was Neues! Kein Grund zum Heulen.“ Rational mag das stimmen, emotional hingegen… Und die erste Reaktion war rein emotional. Der Kopf hat sich später eingeschaltet.
Im Pförtnerhaus hat alles angefangen. Vor fast 10 Jahren sind wir, damals noch zu zweit, in das Pförtnerhaus gezogen, haben hier erstmal alles von Grund auf renoviert und modernisiert, haben Möbel ge- und eingebaut und Pläne geschmiedet.
Ich verbringe heute noch mehr Zeit im Studio als zu Hause, wenn man die Schlafzeit nicht mitrechnet. Das ist, emotional, kein „Gewerberaum“, sondern ein zweites Wohnzimmer. Über die Jahre habe ich immer wieder die Funktionalität, den Stauraum und natürlich die Optik angepasst, sodass ich alles unterbringen konnte.
Alleinerziehend und selbstständig geht nur, wenn das Kind mehr oder weniger immer dabei ist. Mein Sohn ist hier aufgewachsen. Er kommt heute noch, mit fast 15 Jahren, nach der Schule ins Pförtnerhaus und macht hier seine Hausaufgaben und abends gehen wir zusammen nach Hause.
All das ploppte sofort auf. Familie, Freunde und Nachbarn waren ebenso bestürzt, auch weil das Pförtnerhaus so ein besonderes Gebäude ist.
Schlussendlich habe ich ungefähr zwei Wochen gebraucht, bis ich wieder so weit gefestigt war, dass ich ernsthaft auf die Suche nach einer neuen Unterkunft gehen konnte. Das war allerdings wenig aufbauend, denn die Gewerbemieten sind in den letzten Jahren explodiert.
Und auch wenn mir bewusst war, dass ich so einen Glücksgriff, wie damals mit dem Pförtnerhaus, wahrscheinlich nicht nochmal hinbekomme, gibt es doch ein paar Kriterien, die die neue Bleibe erfüllen muss. Das Abwägen und Priorisieren war natürlich ein Prozess, den ich hier nur komprimiert wiedergeben möchte.



Das Abwägen
Was muss die Gewerbefläche unbedingt erfüllen?
- gute Erreichbarkeit – mit den Öffis oder dem Fahrrad, denn ich habe kein Auto
- Strom, Wasser, Heizung, Toilette
- mindestens so groß, wie das Pförtnerhaus – sonst bekomme ich definitiv meinen Kram nicht unter
- ich muss Krach machen dürfen
- bezahlbar (der kritischste Punkt)
- nicht zu groß (sonst explodieren die Kosten gleich wieder)
Wo kann ich Abstriche machen bzw. worauf könnte ich verzichten?
- ein Raum für mich alleine – zusammen mit ein oder zwei Anderen wäre auch okay
- dann ginge natürlich ein größerer Raum bzw. Räume
- Schaufenster – ist schön ohne Frage und wenn das wegfällt, muss ich anderweitig auf mich aufmerksam machen
- mehr Miete muss ich auf jeden Fall zahlen
- Optik ist auch nicht so wichtig – ich bin ja schließlich vom Fach, das bekomme ich hin!
- Untermiete geht auch
- im Kiez wäre schön, aber Umgebung geht auch
Frust und emotionale Schieflage
Tatsächlich waren der Preis und die „Lärmbelästigung“ die schwierigsten Hürden. Zu teuer, zur groß und damit zu teuer oder nur ruhige Betätigungen – das steht in erstaunlich vielen Anzeigen drin. Nur wie soll ich da meine Papierobjekte der rePulp-Kollektion schleifen? So ein Bandschleifer und ein Sauger fallen definitiv nicht in die Kategorie „ruhige Tätigkeiten“.
Zwischendurch war die Stimmung echt auf dem Nullpunkt. Ich bin sogar dazu übergegangen, nicht mehr jeden Tag die Immobilienportale und Kleinanzeigen zu studieren, denn dann konnte ich abends oft genug nicht einschlafen. Die Zeit hat mich unter Druck gesetzt und zwischendurch war ich oft an dem Punkt aufzugeben.
Der Umschwung
Trauern ist wichtig und die Trauer zuzulassen, um sie überwinden zu können, ist gesund. Trotzdem musste ich etwas tun. Mir ist (wieder) bewusst geworden, warum ich das überhaupt mache. Weil ich es liebe. Das ist mein Ding. Mein tägliches Mantra: „Du schaffst das! Beweg Deinen Hintern!“
Freunde und auch mein Netzwerk haben ebenfalls dazu beigetragen, dass ich die Starre abgeschüttelt habe. Zuerst haben wir einen Notfallplan aufgestellt. Was kann ich von zu Hause tun?
Alles was sich am Rechner abspielt – egal ob Orga, Marketing, Projektplanung und was sonst noch alles dazu gehört. Eingeschränkt geht auch etwas Produktion, allerdings bin ich da aus Platzgründen eingeschränkt.
Was kann ich definitiv nicht von zu Hause? Schleifen! Aber da helfen Freunde und haben mir übergangsweise einen Platz in ihrer Werkstatt angeboten, wo ich das machen kann. Die Logistik würde ich auch irgendwie lösen.
Damit kam der Umschwung. Sofort habe ich mir überlegt, wie ich zu Hause alles umstellen und wo ich Lagerplatz schaffen kann. Der Keller wurde gesichtet, was kann raus. Die Familie hat angeboten, Gleiches zu tun, damit ich auch dort Möbel und so unterbringen kann. Mein Tatendrang war zurück. Planen und organisieren, das kann ich.
Also wieder aktiv auf die Suche gehen, mit den Menschen im Kiez reden, alle fragen, ob sie etwas wissen. Dann habe ich angefangen bei den Nachbarn auf dem Gelände herumzufragen, ob noch irgendwo ein Raum frei ist, wo ich mit einmieten kann, denn der Eigentümer hatte mir schon in der Kündigung mitgeteilt, dass er mir keine Alternative anbieten kann.
Eines Morgens, ich lag noch im Bett, weil ich gesundheitlich angeschlagen war, hab ich wieder Kleinanzeigen gesichtet und eine Anzeige in der Mühlenstraße 62 gefunden. Ich habe natürlich sofort Kontakt aufgenommen und wir haben uns für den kommenden Tag verabredet.
Ende gut, alles gut?
Noch nicht ganz, denn der Mietvertrag ist noch nicht unterschrieben. Am kommenden Montag sind wir dafür verabredet. Wenn alles klappt, dann kann ich dort zum 01. Juli einziehen. Wir sind uns einig und der Entwurf liegt mir auch bereits vor. Jetzt heißt es Daumen drücken!
Ein Schaufenster habe ich dann tatsächlich nicht mehr und so ganz einfach zu finden, werde ich auch nicht sein. Hierfür gibt es ja Wegbeschreibungen.
Dafür ist der Raum schön groß, ein paar Einbauten sind drin, die ich gut nutzen kann und ich habe eine Freifläche davor, wo ich bei gutem Wetter auch draußen arbeiten und Dreck machen kann.
Sobald die Tinte unter dem Vertrag trocken ist, ergänze ich den Beitrag.
Update: Vom Pförtnerhaus ins neue Studio
Inzwischen ist der Mietvertrag unterschrieben und ab heute Nachmittag (17.06.22) geht es los mit den vorbereitenden Arbeiten im neuen Studio. Der Boden muss geschliffen und geölt werden, ebenso das Podest.
Wände streichen, die Freifläche aufräumen und aufhübschen, Fensterläden und Gerätekiste müssen aufgearbeitet werden… Ach es gibt viel zu tun und ich freue mich drauf. Wenn ich was zum „Basteln“ habe, bin ich glücklich.
All das möchte ich fertig haben, bevor am Montag, den 27. 06. der eigentliche Umzug beginnt. Ich werde die ganze Woche Stück für Stück meinen ganzen Krempel rüberfahren und gleich dahin einräumen, wo er gelagert werden soll.
Nebenbei Regale bauen bzw. die Regale aus dem Pförtnerhaus recyceln, Kisten neu füllen und einräumen, neue Pflanzkästen für draußen, einen Tisch für draußen bauen, Liegestühle aus der Bank entstehen lassen… es gibt viel zu tun.